Energieethik

Eigentlich sollten hier nicht Bücher vorgestellt werden, sondern gelebte Wirklichkeit. Wenn ich trotzdem auf das Buch ”žEnergieethik“ des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes SEK aufmerksam mache, dann aus zwei Gründen:

  • Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Kirche, in diesem Falle ein nationaler Dachverband mit 26 sehr unterschiedlichen Mitgliedkirchen so detailliert auf ethische und spirituelle Fragen der Energiepolitik eingeht. Die Studie liegt übrigens in einer deutschen und einer französischen Version vor, eine englische Kurzfassung wird demnächst zur Verfügung stehen.
  • Wenn der Schweizerische Evangelische Kirchenbund eine solche Studie herausgibt, dann ist das auch eine Verstärkung der Arbeit, die der ökumenische Verein oeku Kirche und Umwelt in der Schweiz macht. Beides gehört zusammen, die engagierte und von einer vertrauensvollen und lebendigen à–kumene getragene Arbeit von oeku und die verfassten Kirchen mit ihren Organen. Wenn es gelingt, sich hier zu stärken und zu ergänzen, dann gewinnt die Kirche insgesamt, in all ihren Formen.

Ganz kurz zum Inhalt der Studie. Im ethischen Teil werden die Grundwerte Freiheit, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Partizipation und Frieden vorgestellt. Aus ihnen werden Anwendungsregeln (”žMaximen“) für die Energieethik entwickelt. Daraus ergibt sich ein klares Plädoyer für das anspruchsvollste Energieszenario, das in der Schweizer Bundespolitik diskutiert wird: die 2000-Watt-Gesellschaft. Die Zielvorstellung ”ž2000-Watt-Gesellschaft“ bedeutet, vereinfacht gesagt, dass wir (in der Schweiz) unseren Gesamtenergieverbrauch um den Faktor 3, und den Verbrauch an nicht erneuerbaren Energien um den Faktor 6 reduzieren müssen. Das Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft wurde an den Eidgenössischen Technischen Hochschulen entwickelt.

Der radikale àœbergang, der hier gefordert wird, ist schwierig und verunsichernd, er ist auch eine enorme spirituelle Herausforderung. In einem eigenen Kapitel wird der Weg zum postfossilen Zeitalter mit einem Prozess der Trauer verglichen. Wir müssen loslassen und uns einlassen auf eine neue Energiezukunft. An Beispielen aus der Vergangenheit wird gezeigt, dass der Energiebegriff schon immer eine theologische Komponente hatte. Dass es unmöglich ist, ein Perpetuum mobile zu konstruieren, dass Energie konstant bleibt und nicht neu geschaffen werden kann, dass alles Lebendige sich erhält gegen den Strom der Entropie, d. h. gegen die qualitative Verschlechterung von Energie – all das sind Erfahrungen von Endlichkeit, aber auch von Gottes schöpferischer Gegenwart in einer endlichen Welt. Auch in der Energiekrise der Gegenwart dafür Mut zu machen, dass wir unsere Endlichkeit annehmen und zu einer neuen Nüchternheit aufbrechen – das ist eine wichtige spirituelle Aufgabe der Kirchen.

Derlei steht in diesem Buch auf fast 180 Seiten. Wie gesagt, dazu muss hinzukommen, was Kirchen tun, im Alltag, ganz materiell. Hier kommt der ökumenische Verein oeku Kirche und Umwelt ins Spiel. oeku hat schon vor 20 Jahren angefangen mit Energiebilanzen in Kirchgemeinden. oeku hat ein ”žUmwelthandbuch für Kirchgemeinden“ herausgegeben. oeku macht gute Praxis bekannt, zum Beispiel das Energiesparprogramm der Katholischen Gesamtkirchgemeinde Luzern. oeku führt Kurse durch für Sakristane und Sigristen (Küster, Mesner, Kirchendiener und wie sie anderswo heissen mögen). oeku wird demnächst eine Tagung veranstalten zum kirchlichen Bauen. Und oeku hat einen CO2-Rechner für Kirchgemeinden erarbeitet.

Das sind nur einige wenige Beispiele. Ich selbst habe daran kein Verdienst. Und ich bitte jetzt Kurt Aufdereggen aufzustehen, der seit jetzt fast 10 Jahren einen grossen Teil dieser Initiativen durchführt, begleitet und weiterbringt.

Vielen Dank.

Otto Schäfer, Beauftragter für Ethik,

Institut für Theologie und Ethik ITE, Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund SEK, Sulgenauweg 26, CH-3000 Bern 23, Tel. 0041-31-370 25 54, otto [dot] schaeferatsek-feps [dot] ch, www.sek-feps.ch

Pro memoria:

oeku Kirche und Umwelt, Schwarztorstrasse 18, Postfach 7449, 3001 Bern, Tel. 0041-31-398 23 45, infoatoeku [dot] ch, www.oeku.ch

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